Spannende Sportgeschichte
Carsten Kohlmann hielt Festvortrag beim Stadtverband für Sport

Mit einem Festvortrag von Carsten Kohlmann beschenkte sich der Stadtverband für Sport zu seinem 75. Geburtstag. Eigentlich gibt’s den Verband schon seit 1920. Aber die Wiedergründung nach dem Krieg, die hat der Verband jetzt mit einer besonderen Hauptversammlung an einem besonderen Ort, nämlich Gut Berneck gefeiert (wir haben berichtet).
Schramberg. Bisher gebe es noch keine Darstellung der Geschichte des Stadtverbands für Sport in Schramberg, begann Kohlmann seinen Vortrag. „Das hätte Potenzial für eine Masterarbeit.“ Er könne nur „Schlaglichter“ aus der Gründungszeit des Stadtverbands liefern, stapelte er zunächst tief.
Leider seien aus den Jahren von 1920 bis 33 keine Protokolle erhalten. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Stadtarchivs habe dankenswerterweise alle Tageszeitungen jener Jahre auf Berichte über den Stadtverband für Leibesübungen durchgeschaut.

Der Sport habe eine große kulturgeschichtliche Bedeutung. Daher seien die Archive der Sportvereine wichtig und sollten aufbewahrt werden.
In Schramberg war Arthur Junghans, der „Schwarzwälder Uhrenkönig“, ein leidenschaftlicher Turner, wie Kohlmann wusste. Er würde sich als Erbauer von Gut Berneck freuen, dass ausgerechnet hier das Jubiläumsfest stattfinde.
Sport erst ab dem 19. Jahrhundert
Sport sei im heutigen Sinne erst zu einer Zeit betrieben worden, als die Menschen über ausreichend freie Zeit verfügen konnten und es eine Trennung von Arbeit- und Freizeit gab. So begann die Turnbewegung Mitte des 19. Jahrhunderts. In den Zeitungen entstandene eigene Rubriken für den Sport.
Zunächst war das Turnen wichtig, später kamen aus England Tennis und Reiten für die „bessere Gesellschaft“ hinzu. Auch der Fußball kam über den Kanal zu uns. “Der Sport wurde zu einem Massenphänomen.“ Um 1914 zählten die Turnvereine in Deutschland 1,4 Millionen Mitglieder. Es gab eine Spaltung in bürgerliche Vereine und Arbeitervereine. Aber auch die Konfession spielte manchmal eine Rolle.
Boomtown Schramberg
Zwischen 1870 und 1914 war die Stadt Schramberg „explodiert“: Die Einwohnerzahl vervierfachte sich. Viele Turnvereine entstanden. Eine erste Turnhalle baute man 1912 in Schramberg. Sportplätze entstanden hingegen erst später.
Leichtathletik und Fußball konkurrierten mit dem Turnen. Auch der Radsport mit dem „Velociped“ habe schon früh eine große Rolle gespielt. Nicht nur Männer, auch die Frauen trieben schon vor dem ersten Weltkrieg Sport in Schramberg.

Demütigung
Wegen dieses Kriegs schlossen die anderen Nationen Deutschland von den Olympischen Spielen aus, die eigentlich für 1916 in Berlin geplant waren. Aber auch bei den Spielen von 1920 und 1924 war Deutschland nicht eingeladen. Das habe „die deutsche Sportnation als große Demütigung empfunden“, so Kohlmann.
Als Ersatz erfand man die deutschen Kampfspiele, die 1922 erstmals ausgetragen wurden.
In Schramberg gründete sich 1920 der Stadtverband für Leibesübungen als Interessenvertretung der Sportvereine. Er sollte für die gerechte Verteilung der Sportzeiten auf den „schlechten Sportplätzen“ sorgen.

Nationale Töne
Zeitbedingt waren die Sprüche: es gelte die Deutsche Jugend von „Zigarettenduft und Kinoluft“ fern zu halten, postulierte der erste Vorsitzende des Turnvereins Kanzleirat Gustav Ruck, ein Rathausbeamter. Man wolle erreichen, dass die Jugend „gesund und stark an Leib und Seele“ werde.
Kohlmann erinnerte daran, dass es damals keinen Wehrdienst mehr gab, aber 60 Kneipen in der Stadt. Etliche waren verrucht und mit dem Ziel, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Stadtverband in Junghans-Hand
Als erster Vorsitzender fungierte Kurt Landenberger. Schon damals ging es um schattige kleine Plätze in der Stadt. Der Bernecksportplatz entstand 1922. Helmut Junghans übernahm den Vorsitz bis 1930. Es sei in dieser Zeit typisch gewesen, dass die Schramberger Unternehmer viel Geld in die örtlichen Vereine steckten.
1923 führte der Stadtverband die Sportabzeichen-Abnahme ein – eine Aufgabe, die er bis heute innehat. Einen ersten Stadtlauf gab es 1928. 1930 übernahm Arthur Junghans II den Vorsitz.
Gleichschaltung und Wiedergründung
Mit der Machtübernahme durch die NSDAP im Januar 1933 endete bald auch das bisherige Vereinsleben. Im März unterschrieb auch der Stadtverband einen Aufruf zu einer großen Kundgebung für die neuen Herren. Auch die Feuerwehr, der Sanitätskolonne, die Gesangsvereine waren dabei. Die Sportvereine wurden gleichgeschaltet im NS-Reichsbund für Leibesübungen .

1934 feierte das als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gebaute Freibad im Bernecktal Eröffnung. Viele Schramberger trauerten ihm bis heute nach. Kohlmann: “Es war Heimat!“
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs stand Schramberg unter französischer Besatzung. Erst 1950 nach dem Abzug der Franzosen begannen sich die Vereine wieder zu formieren. So auch der Stadtverband für Sport, wie er nun hieß. Arthur Junghans übernahm wieder den Vorsitz und behielt das Amt bis 1970.

Wirtschaftswunderjahre
Der damalige Bürgermeister Konstantin Hank sprach von Schramberg als „entwicklungsgestörter Stadt“, wie Kohlmann anmerkte. Unter Hank entstand der Waldsportplatz im Raustein. Zu jener Zeit galt der Platz in Fachkreisen als „Deutschlands schönster Fußballplatz“.

1970 baute die Stadt die Karl-Diehl-Halle. Dass Gelände hatte der Nürnberger Unternehmer und Junghans-Eigentümer der Stadt geschenkt. In Sulgen waren in den 50er Jahren die Grund- und Hauptschule und die dazugehörige Turn- und Festhalle gebaut worden. 1973 folgte das Hallenbad.
„Erbhof“ der freien Liste
Beim Stadtverband für Sport trat 1970 der streitbare Stadtrat und Architekt Horst Hess das Vorsitzendenamt an. „Seither ist das ein Erbhof der Freien Wähler oder freien Liste“, bemerkte Kohlmann. Hess trommelte für die Fünf-Täler-Halle und einen neuen Rasensportplatz in Sulgen. Auf Hess folgte Helmut Belikan, den Udo Neudeck ablöste bis vor sieben Jahren Ralf Rückert an die Stadtverbandsspitze rückte.
Mit langem Beifall dankten die Mitglieder Carsten Kohlmann für seinen Vortrag. Er zeige dessen Verbundenheit mit der Stadt aus eigenem Erleben, bemerkte der Vorsitzende Rückert. Er hoffe, dass Kohlmanns Forschungsergebnis Eingang in einer Publikation wie der „Kräz“ finden werden.